Ich habe schon oft etwas zu Fremd- und Eigenwahrnehmung geschrieben. Ich besuche seit dieser Woche ein recht intensives Seminar zur Qualifizierung als soziale Beraterin. Hier haben wir uns heute auch intensiv mit Theorie und vor allem auch in der Praxis bei Gruppenarbeiten mit diesem Thema auseinander gesetzt.
Eigentlich ging es darum, wie schnell wir über Jemanden urteilen, obwohl wir ihn nicht kennen, aufgrund seines Äußeren, nicht nur Kleidung, Mimik, Gestik, sondern auch und vor allen, wenn er etwas „bekanntes“ hat das uns an etwas oder Jemanden erinnert, positiv wie negativ. Wie schnell wir dann Schlüsse ziehen und diese als wahr annehmen.
In der Gruppenarbeit hat tatsächlich aber 90% dieser Fremdwahrnehmung zugetroffen. Was ich aber auf den Umstand schiebe, dass gerade in meiner Gruppe sehr offene, zugewandte Frauen waren, die bereit waren sich „anschauen“ zu lassen, die sich nicht in „Scheinkontakt“ (hoho neues professionelles Wort … ich bin ne ganz schlaue …) versteckt haben und Augenkontakt gehalten haben und vor allem die „nachgedacht“ haben…. UND was denke ich auch wichtig war, es waren KEINE Emotionen im Spiel, die die Wahrnehmung beeinträchtigt haben, zumindest war es eben in unserer Gruppe so. Und wir waren auch etwas vorsichtig mit grob, wirren phantastischen Ausführugen 😉
Hätte mich jetzt eine der Frauen an Jemanden erinnert, den ich nicht mag, hätte ich sicherlich ganz anders eingeschätzt.
Was ich immer wieder sehr freudig erstaunt und das war jetzt in mehren Kursen so, dass ich immer als offen und fröhlich eingeschätzt werde, dass alle immer mein Lachen und meine Ausstrahlung als positiv und fröhlich empfinden. Bund gekleidet, weltoffen.
Das freut mich, da scheint sehr viel von der kleinen Lisa durchzuscheinen, denn die steckt ja irgendwo noch in mir drin. Und ich weiß sie schaut ab und zu um die Ecke, immer dann wenn ich mich wohl fühle, wenn es mir wirklich gut geht.
Aber offenbar ist sie auch dann da, wenn es mir mies geht, nur ICH sehe sie nicht mehr. Gerade heute, als die Frauen mich so einschätzen, hatte ich bei der „Eröffnungsrunde“ in 5 Minuten der Stille, in dem wir nach unserem aktuellen Gefühl suchen mussten geweint, still und heimlich und in der peinlichen Hoffnung, dass es niemand merkt. Habe mich anfangs etwas verloren gefühlt und mich gefragt, was ich hier eigentlich schon wieder mache und warum ich nicht endlich aufhöre an mir selbst zu arbeiten. Und trotzdem wurde ich ganz anders wahr genommen.
Aber ich weiß auch, dass das nicht immer so ist oder wahr. Was war früher in der Berufsschule? War das alles nur oberflächlich? Dort wurde ich ganz anderes gesehen. Klar war ich jünger, aber ich habe mich im Kern nicht wesentlich geändert. Ich gehe heute noch genauso ängstlich und schüchtern in fremde Gruppen. Ist es das Alter? Dass es nicht mehr diese Hackordnung gibt, alle auf den Schwächsten? Mobbt man nicht mehr in reiferem Alter?
Vielleicht sind es auch die Menschen die sich weiter entwickeln wollen und/oder schon haben, die anderen nicht bösartig bewerten?
Eigentlich soll das „Feedback“ also die Fremdwahrnehmung, wie es im Johari Fenster beschrieben ist, dem ICH helfen seine blinden Flecke zu erkennen, wichtig für Weiterentwicklung.
Allerdings – wenn die Fremdwahrnehmung so von Vorureilen, eigenen Werten, eigenen Erfahrungen etc. geprägt ist, wie kann man sich dann auf so ein Feedback einlassen?
Anhand des Wahrnehmungsmodels von Edmunds Husserl. Aber WER kann das schon? Da muss ich nächste Woche mal nachhaken 🙂
Auf jeden Fall, diese Qualifizierung ist interessant, spannend, anstrengend und würde mich wenn ich mich nicht schon mit diesem Themen länger auseinandersetzten würde, echt überfordern. So viel Input in so kurzer Zeit. Mein Kopf qualmt!
Hier ein Link zum tiefer gehen in das Thema wenn es Jemanden interessiert. Oder es auch für Jemanden neu ist.
Johari Fenster
Edmund_Husserl